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Vorfälligkeitsentschädigung: Definition und Möglichkeiten der Umgehung

Nehmen Sie bei Ihrer Bank ein Darlehen auf, um z. B.einen Immobilienkauf zu finanzieren, wird Ihnen für die Rückzahlung des Darlehens eine feste Laufzeit eingeräumt. Möchten Sie das Darlehen vor Ablauf dieser Laufzeit ablösen, realisiert sich bei der Bank wegen der entgangenen Zinsen ein nicht kalkulierter Verlust. Deshalb verlangt die Bank bei der vorzeitigen Ablösung von Darlehen eine Entschädigungszahlung. Dies ist die Vorfälligkeitsentschädigung (VFE).

Definition: Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung und wann muss sie bezahlt werden?
Um den Kauf einer Immobilie zu finanzieren, nehmen Sie einen Kredit auf, dessen Rückzahlung sich häufig über mehrere Jahre erstreckt. Nutzen Sie die komplette Laufzeit des Darlehens, um das Darlehen vollständig zu tilgen, erhebt die Bank keine Vorfälligkeitsentschädigung. Ihre finanzielle Verpflichtung gegenüber der Bank endet mit der letzten Ratenzahlung.

Möchten Sie – weil Sie z. B. durch eine Erbschaft unverhofft zu Geld gekommen sind -, das Darlehen vor der regulären Laufzeit ablösen, entgehen der Bank die Zinsen, die in dem Darlehensvertrag vereinbart wurden. Damit die Bank den Verlust abfangen kann, fordert Sie von Ihnen als Darlehensnehmer die Vorfälligkeitsentschädigung. Dieses Recht ist im § 490 Absatz 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) rechtlich fixiert.

Wann darf die Bank keine Vorfälligkeitsentschädigung erheben?

Die Forderung einer VFE ist dagegen nicht rechtens, wenn die Bank den Darlehensvertrag mit einem Kunden vorzeitig kündigt. Dies könnte z. B. der Fall sein, wenn Sie als Darlehensnehmer mit den Ratenzahlungen in Verzug geraten sind. Dieses Vorgehen ist rechtlich abgesichert durch das BGH-Urteil – Az.: XI ZR 103/15 – vom 19. Januar 2016. Macht die Bank von diesem Recht Gebrauch, darf sie nicht auf die Zahlung einer VFE bestehen.

Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung

Fordert Ihre Bank Sie zu der Zahlung einer VFE auf, muss sie deren Höhe zuvor ermitteln. Dabei darf sie eine bestimmte Obergrenze nicht überschreiten.

Wie wird die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung ermittelt?

In die Ermittlung einer Vorfälligkeitsentschädigung fließen verschiedene Faktoren ein. Hauptbestandteil ist der Verlust aus den entgangenen Zinseinnahmen, den die Bank wegen der kürzeren Laufzeit des Darlehens ausgleichen möchte. Allerdings darf die Bank bei der Ermittlung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht allein hiervon ausgehen. Schließlich hat sie durch die vorzeitige Ablösung eines Darlehensvertrages auch weniger Aufwand. Dies bedeutet, dass die Bank z. B. die ersparten Risikokosten und die eingesparten Verwaltungskosten von der Höhe der entgangenen Zinseinnahmen abziehen muss.

Zwei Methoden zur Ermittlung der Vorfälligkeitsentschädigung

Um die Höhe der VFE zu ermitteln, kann Ihre Bank zwei verschiedene Verfahren anwenden. Dies sind die Aktiv-Aktiv-Methode oder die Aktiv-Passiv-Methode.

Bei der Aktiv-Aktiv-Methode vergleicht die Bank den entgangenen Zinsgewinn mit den Zinsen, die sie bei Abschluss eines neuen Darlehensvertrages erheben könnte.

Bei der Aktiv-Passiv-Methode vergleicht die Bank die Konditionen (Tilgung, Zinsen und Restschuld) des aktuellen Vertrages mit den Zinseinnahmen, die sie erheben könnte, wenn ein Darlehensvertrag mit der gleichen Summe abgeschlossen würde. Die VFE ermittelt sich hier aus der Differenz der beiden Beträge. Diese Methode wird von den Banken bevorzugt angewendet.

Wie hoch darf eine Vorfälligkeitsentschädigung maximal sein?

Die Höhe, die eine Bank maximal als Vorfälligkeitsentschädigung von Ihnen verlangen kann, ist im Gesetz eindeutig definiert. Im BGB heißt es hierzu, dass die VFE bei einem Verbraucherdarlehen – hierzu gehört die Finanzierung einer Immobilie mit Unterstützung der Bank – ein Prozent der offenstehenden Restschuld nicht überschreiten darf. Die offenstehende Restschuld ist mit dem Betrag identisch, den Sie vor Ende der regulären Darlehenslaufzeit zurückzahlen.

In welchen Fällen ist die Erhebung der Vorfälligkeitsentschädigung unwirksam?

Zur Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung sind Sie nur verpflichtet, wenn Sie einen Darlehensvertrag vorzeitig kündigen. In den folgenden Fällen ist die Erhebung einer Vorfälligkeitsentschädigung nicht rechtswirksam:

Der Vertrag wird von der Bank gekündigt: Entschließt sich die Bank einseitig dazu, den mit Ihnen abgeschlossenen Darlehensvertrag zu kündigen, ist die Forderung einer Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen. Dies besagt ein Urteil des BGH. Die Bank sieht sich zu diesem Schritt gezwungen, wenn Sie als Darlehensnehmer mit den Ratenzahlungen in Verzug geraten oder diese ganz ausfallen.

Die Kündigung des Darlehensvertrages erfolgt einvernehmlich: Lösen Sie den Darlehensvertrag im Einverständnis mit der Bank auf, weil sie z. B. ein Darlehen mit einer höheren Darlehenssumme abschließen, ist die Bank nicht berechtigt, für den abgelösten Darlehensvertrag eine Vorfälligkeitsentschädigung zu verlangen.

Bei dem Vertrag besteht eine variable Zinsbindung: Bei vielen Darlehensvertragen orientieren sich die vereinbarten Zinsen an den marktüblichen Zinsen. Dies hat zur Folge, dass der Zinssatz variabel ist. Dieses Vorgehen der Bank ist rechtlich abgesichert. Allerdings steht Ihnen als Darlehensnehmer auf der anderen Seite das Recht zu, einen Vertrag mit variabler Zinsbindung vorzeitig zu kündigen. Nach § 489 Absatz 1 BGB müssen Sie sich nur an die Kündigungsfrist von drei Monaten halten. Eine Vorfälligkeitsentschädigung darf dir Bank in diesem Fall nicht von Ihnen fordern.

Die Konditionen des Vertrages sehen eine lange Zinsbindung vor: Bei Verträgen mit langer Zinsbindung können Sie sich ebenfalls auf den § 489 Absatz 1 BGB berufen. Hiernach dürfen Sie den Vertrag zehn Jahre nach der Auszahlung des gesamten Darlehensbetrages kündigen. Den Verlust für entgangene Zinseinnahmen darf die Bank Ihnen nicht in Rechnung stellen.

Lassen Sie sich durch einen Anwalt beraten, unterstützt dieser Sie bei der Durchsetzung Ihrer Rechte. Dies bedeutet, dass Sie keine VFE zahlen müssen, wenn Sie aus rechtlichen Gründen nicht dazu verpflichtet werden können.

Um sich den Aufwand für eine Vorfälligkeitsentschädigung zu ersparen, können Sie entweder den Vorfälligkeitsjoker oder den Widerrufsjoker wählen:

Umgehung der VFE durch den Vorfälligkeitsjoker

Den Vorfälligkeitsjoker können Sie ziehen, wenn der Darlehensvertrag mit der Bank nicht rechtmäßig zustande gekommen ist. Dies könnte z. B. der Fall sein, weil wichtige Pflichtangaben in dem Dokument fehlen.

Rechtliche Grundlage für den Vorfälligkeitsjoker bildet § 502 Absatz 2 BGB. Hiernach können sich die fehlenden Pflichtangaben z. B. auf die Pflichtangaben des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung beziehen.

Sind die relevanten Angaben in dem Darlehensvertrag unzureichend, haben Sie die Möglichkeit, die Zahlung der VFE zu umgehen. Ein typischer Fehler, der hiermit in Zusammenhang steh, ist der fehlende Hinweis auf Ihr Kündigungsrecht. Dieses Recht ergibt sich ebenfalls aus den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Zu einer Aberkennung der Vorfälligkeitsentschädigung für auch ein Hinweis der Bank in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach das Kündigungsrecht eines Darlehensnehmers von vornherein ausgeschlossen wird.

Die Forderung nach einer Vorfälligkeitsentschädigung ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Bank den Berechnungszeitraum in dem Darlehensvertrag falsch dargestellt hat. Dies ist z. B. der Fall, wenn die Bank Ihnen nicht mitteilt, dass der Zeitraum, für den Ersatz des Schadens aufgrund der fehlenden Zinsen, auf zehn Jahre und sechs Monate begrenzt ist. Sind Sie mit der Materie des Bankenwesens nicht vertraut, könnten Sie davon ausgehen, dass sich die Entschädigungszahlung für die Bank auf den kompletten Zeitraum der Laufzeit des Darlehens bezieht. Dies ist aber ein Fehler, der dazu führt, dass die Erhebung der VFE seitens der Bank nicht rechtmäßig ist.

Die Banken vergessen häufig auch, geleistete Sondertilgungen in die Ermittlung der Vorfälligkeitsentschädigung einzubeziehen. Sie müssten hierdurch mit einer deutlich geringeren Zinsbelastung rechnen. Dieses Vorgehen der Bank führt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH-Urteil, Az.: XI ZR 288/14) zu einem Fehler. Deshalb ist die Bank auch nicht berechtigt, eine Vorfälligkeitsentschädigung von Ihnen zu verlangen.

Überdies ist es auch nicht zulässig, dass die Bank mit Formulierungen im Darlehensvertrag den Darlehensnehmer darauf hinweist, dass ihr die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zustehen würde. Gemäß § 493 Absatz 5 Satz 1 BGB ist die Bank nicht von vornherein dazu berechtigt, eine Bearbeitungsgebühr zu verlangen. Das Recht zur Forderung einer Vorfälligkeitsentschädigung steht der Bank nur zu, wenn Sie den Darlehensvertrag vor Ablauf der regulären Darlehenslaufzeit kündigen.

Die Folgen des Vorfälligkeitsjokers sind anders als die Konsequenzen, die sich bei Anwendung des Widerrufsjokers ergeben. Eine Rückabwicklung des Darlehensvertrages ist hierbei nicht vorgesehen. Dies bedeutet, dass die Kreditnehmer sich nicht um eine Anschlussfinanzierung kümmern müssen.

Wenden Sie sich an einen auf das Vertragsrecht spezialisierten Anwalt, prüft dieser den Darlehensvertrag, den Sie mit der Bank abgeschlossen haben. Ergeben sich die Möglichkeiten, den Vorfälligkeitsjoker anzuwenden, macht der Anwalt Sie hierauf aufmerksam. Außerdem leitet er alle wichtigen Schritte ein, damit Sie die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung umgehen können.

Vermeiden der Vorfälligkeitsentschädigung mit dem Widerrufsjoker

Im Gegensatz zum Vorfälligkeitsjoker wird ein Darlehensvertrag bei dem Widerrufsjoker rückabgewickelt. Dies bedeutet, dass Sie als Darlehensnehmer die Restschuld der offenstehenden Darlehenssumme zahlen und die Bank nicht dazu berechtigt ist, die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung festzusetzen.

Bei dem Widerrufsjoker gilt es, die beiden folgenden Punkte zu beachten:

Wurde der Darlehensvertrag zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 20. März 2016 abgeschlossen, können Sie das Widerrufsrecht auf ewig ausüben. Die bedeutet, dass der Widerrufsjoker auch zur Anwendung kommt, wenn Sie den Darlehensvertrag mit der Bank im Jahr 2010 abgeschlossen haben.

Haben Sie den Darlehensvertrag mit der Bank erst am 21. März 2016 oder später abgeschlossen, hat der Gesetzgeber eine Begrenzung des Widerrufsrechts auf ein Jahr und vierzehn Tage vorgesehen. In diesen Fällen bietet Ihnen der Vorfälligkeitsjoker den besseren Vorteil.

Die Unterscheidung bei dem Widerrufsjoker beruht auf einer Änderung des Gesetzgebers aus dem Jahr 2016. Diese Gesetzesänderung bezog sich Immobilienkredite und andere privatrechtliche Vereinbarungen. Hiernach darf der Zeitraum für den Widerruf einer vertraglichen Vereinbarung nicht länger als ein Jahr und vierzehn Tage betragen, wenn in dem zugrundeliegenden Darlehensvertrag z. B. die Widerrufsbelehrung fehlt. Demnach kommt der Widerrufsjoker für die Immobilienfinanzierung über eine Bank nur in Betracht, wenn dieser zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 20. März 2016 abgeschlossen wurde. Bei einem späteren Vertragsabschluss kann der Vorfälligkeitsjoker die bessere Lösung sein.

Mehr Informationen zu diesem Thema erhalten Sie, wenn Sie einen Anwalt konsultieren, der sich auf das Vertragsrecht spezialisiert hat.

Sie haben einen Immobilienkredit vorzeitig abgelöst und wurden von Ihrer Bank mit der Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung belegt? Gerne biete ich Ihnen als fachkundiger Anwalt meine professionelle Unterstützung an. Hierzu gehört nicht nur die Prüfung, ob die Erhebung rechtswirksam ist, sondern ob die Forderung Ihrer Bank auch der Höhe nach berechtigt ist.

Möchten Sie sich umfassend beraten lassen, richten Sie über das Kontaktformular auf dieser Webseite Ihre Anfrage. Ich werde mich umgehend bei Ihnen melden und mich für Ihr Recht einsetzen.

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